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RECHERCHE IM JAHRMARKTTHEATER: Kostüm und Szenografie trifft auf Ländliche Räume

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Welche Potenziale stecken im Zusammenspiel für nachhaltiges und partizipatives Entwerfen und Bauen?

Was wäre, wenn das nächste Bühnenbild nur aus Dingen von Dachböden der Dorfgemeinschaft entsteht? Was passiert, wenn private Garagen und Bauernhöfe zu Bühnen- und Kostümlagern werden? Was wäre, wenn das Bühnentransparent als Schulprojekt im Kunstunterricht gemalt wird? Was wäre, wenn Heike von nebenan, die auch mal die Küche auf die Weide treibt, zufällig auch begabte Näherin ist und plötzlich nicht mehr nur die Kühe, sondern auch die Nähwerkstatt leitet? Was wäre wenn Dörfler:innen bei Kostümen, Materialien, Requisiten, Bühnenkonstruktionen und szenografischen Objekten zu Mitentwerfenden, Mitforschenden oder Mitbauenden werden? Und was passiert, wenn diese Kollaborationen sich über Jahre verstetigen? In der Realität passieren solche Formen der Beteiligung mancherorts schon: Nachbarin Heike näht tatsächlich Kostüme für das Sommertheater in Bostelwiebeck, für StudioStudio organisierte der Bürgermeister von Grebenhain ein Atelier in einer Schule und das Syndikat Gefährliche Liebschaften lagert Requisiten in privaten Garagen in Meppen oder lässt Bühnenteile in Hobbywerkstätten basteln. Wie können solche Zufallsfunde, projektbezogene Strukturen oder über lange Zeit gewachsenen Beziehungsgeflechte in ländlichen Räumen langfristig in die Theaterarbeit einfließen, für Kultur- und Theaterschaffende, auch Ausstatter:innen, zugänglich gemacht und informelles dokumentiert werden? Wie können Ausstatter:innen und Gruppen mehr vor Ort im ländlichen und weniger über urbane Unterstützung anfertigen und sichtbarer werden?

Kartografisches Patchwork künstlerisch-praktischer Landarbeit

Was braucht es, um nachhaltige Beteiligung anzuregen und Strukturen zu verstetigen? Ein Strukturen-, Ressourcen- sowie Kompetenzen-Mapping ist eine erste Idee, flüchtige informelle und persönliche Strukturen und Netzwerke, materielle, technische und handwerkliche Ressourcen zu visualisieren, Menschen und Kompetenzen im Ort aufzudecken und auch die Geschichten von Teilhabe an der Herstellung und von Material-Wanderungen festzuhalten. Was haben die Karten in kleineren ländlichen Orten gemein mit städtischen und worin unterscheiden sie sich auch? Wie stark unterscheiden sich die Karten ländlicher Regionen voneinander? Was braucht es für zusätzliches Wissen, vielleicht auch persönliche Beziehungen, um dieses Mapping tatsächlich nutzen zu können? Es ist eine erste Karte für das Jahrmarkttheater-Netz entstanden, eine Karte, auf der die Näherin Heike genauso sichtbar wird wie das nächste Trödeldorf oder Repair Cafés.

Ich sehe in meiner künstlerischen und handwerklich-praktischen Arbeit als Kostümbildnerin und Szenografin eine Chance für eine integrale und nicht nur additive Form von Partizipation in ländlichen Räumen, insbesondere auch in der generationsübergreifenden Beziehungs- und Vermittlungsarbeit. Das Feld Ausstattung, Material und Nachhaltigkeit bietet das Potenzial, lokalen Bezug herzustellen, partizipatorische Zusammenarbeiten anzustoßen und Menschen an Kunst, Kultur und Handwerk teilhaben zu lassen und auch für mich selbst als Künstlerin von und mit Menschen vor Ort zu lernen.

Katharina Becklas entwickelt partizipative und visuelle Performances und Installationen. Gemeinsam und in Kooperation mit anderen entwickelt sie Inszenierungen und begehbare Installationen, in denen Raum und Kostüme zu performativen Elementen und Spuren von Herstellung und Bearbeitung sichtbar werden. Besonderen Fokus legt sie in ihrer künstlerischen Praxis auf nachhaltiges und ressourcenschonendes Arbeiten. Sie kooperiert als Kostümbildnerin Szenografin oder künstlerische Produktionsleitung insbesondere mit dem Syndikat Gefährliche Liebschaften und BKM Performance. Ihre Arbeiten wurden unter anderem gezeigt im LOFFT – Das Theater Leipzig, Schwankhalle Bremen, Jahrmarkttheater Bostelwiebeck, theater wrede+ Oldenburg, Theaterhaus Hildesheim, Theater Rampe Stuttgart, Theaterlabor Bielefeld, Seefelder Mühle, Osterode am Harz (TRAFO). Seit 2020 engagiert sie sich in diversen Formaten für Vernetzung, Wissenstransfer und Sichtbarkeit von visuellen Künstler*innen in den Darstellenden Künste. Sie ist Mitgründerin der Initiative SK Freie Szene.
www.becklasjurado.de
www.sk-freieszene.de